Bisher ging es um Hözchen und Stöckchen, jetzt um Balken und ‘Fetten’. Um den Dachstuhl für unser Holzhaus also — in Hohenahr-Altenkirchen. Denn ein Dach brauchen auch wir, in diesen wetterigen Tagen. Bei uns werden Haus und ‘Stuhl für das Dach’ in einem Rutsch gebaut, von denselben Handwerkerinnen. Ist ja alles Holzarbeit. Und wieder nutze ich den Platz zwischen den Bildern dazu, von ein paar Details zu berichten:
Als wir den Rohbau unserer früheren Wohnung in Frankfurt besichtigt hatten, war ich — zum nachhaltigen Entsetzen der Frau — geschockt. Alles so klein und so eng. Dass Rohbauten immer kleiner aussähen, konnte mich schon damals nicht trösten. Jetzt war es nicht anders: Die mit den Pfählen abgesteckten Zimmer schienen mir schon sehr mini. Wieder ein Schock. Aber sobald die Decke zum Dachboden das Sichtfeld begrenzte, begann sich die Dimensionen zurechtzurücken. Die Wirklichkeit passte sich meinen Erwartungen an. Ein seltener, ein wunderbarer Prozess. Sonst erlebe ich es meistens andersherum. Unsere ‘Wohnhalle’ dagegen blieb durchgehend riesig — ohne Dach, mit Dach, und erst recht: mit Terrasse.
So ein Dach mit Stützpfosten, mit Fetten — den dicken Querbalken — und Sparren — den feineren ‘Gräten’ — wirkt schon ein wenig wie ein Skelett. Richtige Skelette werden mit Knorpel und Sehnen biegsam gehalten. Doch ein Holzhaus darf das nicht: sich verschieben, in sich verbiegen und schwanken. Es muss steif sein. Sonst bricht es irgendwann, irgendwo. Hab ich gelernt. Als ich zusehen durfte, wie unser Dachstuhl diagonal mit straffen Metallbändern unbeweglich gemacht wurde, mit sogenannten ‘Rispenbändern’, deren Zweck mir — einer Laiin — erstmal erklärt werden musste. Die ich danach aber selbständig auch innen, in der Wohnhalle, wiederentdecken konnte. Schon sehr beeindruckend, wie schnell Bauarbeiterinnen so ein Gerippe aufbauen, verplanken und absichern.
Noch beeindruckender aber war, in welcher fröhlichen Ruhe das geschah. Das lauteste auf unserer Baustelle war — neben dem Pressluftschrauber vielleicht — die Musik aus dem Player. Gelegentlich sang eine Handwerkerin mit, manche ließ die Schrauben tanzend in die Balken fliegen. Ich hab es selbst erlebt. Wie auch die Ruhe sonst. Geradezu achtsam und höflich ging es zu: “Kannst Du bitte mal den Faden halten?” Die Art dieser Frage hatte mich schon am ersten Tag des Aufbaus erstaunt. Später hörte ich: “Darf ich Dir bitte noch ein paar Schrauben hochwerfen?” Und nun kommt — mit einem Fuß auf dem einen Sparren, den anderen auf dem nächsten, in unwohliger Höhe, während alles wackelt und schwankt — die leise Frage: “Können wir das Band bitte noch etwas straffer ziehen?”.
Oh ja, ich weiß: Dass ich von diesem Umgangston überrascht bin, sagt viel über mich aus — und wenig über Bauarbeiterinnen und Zimmerfrauen. Ich lerne gerne dazu. Und schmeiße Vorurteile fröhlich weg. Allerdings erlaube ich mir auch, mich darüber zu freuen: Die Bauherrin und ich wollten in diesem Haus ja etwas friedfertiger leben, mit der Natur und überhaupt. Dass dieser Stil nun schon — ganz unabhängig von uns — den Rohbau prägt, das berührt uns sehr. Er wird in den Geist des Hauses eindringen, er soll es tragen: dieser herzliche, zugewandte Ton.
Wie die Zärtlichkeit beim Bau des Dachstuhls. Ich sage das ohne Ironie! Denn ich durfte zusehen, wie sorgfältig und langsam die Dacharbeiterinnen das Dachflies glatt streichelten, bevor die Querlattung darauf kam. Geradezu zärtlich, eben.
Euch allen Dank! Für die Arbeit. Für Euren Stil. Inspirierend. Denn wie sagte jemand noch so schön? ‘Oas ist maegli’ — auch in diesen wetterigen Tagen1.
Und in welchem Zusammenhang …
.. steht das mit unserem kommenden Dorfleben in ‘Lovely Altenkirchen’? Nun, zuerst mussten wir unser Grundstück vorbereiten, dann das Schotterbett für die Bodenplatte, um darauf den Holzrohbau und den Dachstuhl zu setzen, um danach die Fenster einzubauen, die Fassade anzubringen und das Innen auszubauen, erst roh, dann trocken, dann fein — mit Anschluss ans Gemeindenetz. Denn es sollte eine schöne, eine und naturnahe neue Wohnstatt werden. Eingebettet in einen Permakulturgarten. Um zügig unser Ziel zu verwirklichen. Unseren Wunsch nach einem etwas friedfertigeren Zusammenleben in und mit einer dörflichen Natur — eben der von Hohenahr-Altenkirchen.
Im Übrigen: Männer sind mitgemeint.
- Unser Rohbau wurde am Tag vor und nach Tief ‘Lambert’ fertig. Riesige Hagelkörner haben am Nachmittag nichts beschädigt. Nach nächtlichem Sturm stand der Kran immer noch, das Dach war heil geblieben, nicht mal Restholz war durch die Gegend gesegelt. Noch ein großes Glück.[↩]