Die Lehrmittelfreiheit ist in. Nicht nur in Hessen. So auch in der Ausbildung zur Fachinformatikerin: Nur ‘zaubert’ hier zuletzt doch jede Berufsschullehrerin ihr eigenes Stundenkonzept. Und ihre eigenen Materialien. Aber wieso? Warum so? Jede für sich ist doch doof. Hat uns das als Gesellschaft je weitergebracht?
Lehrmittelfreiheit ist zunächst nur eine pekuniäre Freiheit.1 Von der “Freiheit”, die Lehr- und Lernmittel “[…], zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen, zu ändern und zu verbessern“2, ist nicht die Rede. So auch in der Ausbildung zur Fachinformatikerin: hier ‘zaubert’ zuletzt doch jede Berufsschullehrerin ihr eigenes Stundenkonzept. Natürlich abgestimmt auf Rahmenlehrplan3 und Prüfungskataloge4. Und mit Verweis auf Fachbücher, um die Stoffwiederholung zu vereinfachen. Aber wieso? Warum so? Jede für sich ist doch doof. Und hat uns als Gesellschaft5 noch nie weitergebracht.
Lösung
Läge es da nicht nahe, wenn sich wenigstens die Fachinformatiklehrerinnen ein Biotop an wirklich freien Materialien schüfen? Was wäre, wenn sie ihre Arbeit anderen Lehrerinnen und Schülerinnen unter einer Creative-Commons-Lizenz teilten? Was, wenn sie sie — wie in der Open-Source-Welt üblich — kollaborativ entwickelten?
Wäre es nicht ein Gewinn für alle, wenn die einzelne Lehrerin für ihr Spezialgebiet Stundenfolgen bereitstellte und sich für die anderen bei den Arbeiten der anderen bedienen dürfte — ohne urheberrechtliche Bedenken haben zu müssen? Sollte es nicht die Qualität erhöhen, wenn eine Community von Lehrerinnen und Schülerinnen über Issues auf Fehler hinweisen und mit Pullrequests Verbesserung direkt einbringen könnten?
Eben ganz so, wie auch Open-Source-Software entwickelt wird? Genau darauf zielt das Projekt proTironeComputatri:
proTironeComputatri stellt freie Lehr- und Lernmaterialien für die Ausbildung zur Fachinformatikerin zur Verfügung — will sagen: Creative-Commons- bzw. FOSS-lizenzierte Dokumente und Skripte, die dem Rahmenlehrplan und den Prüfungskatalogen gerecht werden und deren Systematik der Lernfelder widerspiegeln.
Unter proTirone-Repository auf GitHub sollen Lehrerinnen und Schülerinnen
- fertige Lehr- und Lernmaterialien finden, für jeden Aspekt der Ausbildung zur Fachinformatikerin,
- die Quellen dazu herunterladen können, falls sie sie anpassen wollen,
- darauf vertrauen können, dass ihnen der Stoff mit Blick auf die Abschlussprüfungen I und II umfänglich und hochwertig aufbereitet wird und
- all das gebührenfrei und ohne urheberrechtliche Bedenken verwenden können.
Hintergrund
Ende 2024 sollte meine Arbeit als Principal OpenSource Advisor bei der Deutschen Telekom enden und meine reguläre Rentenzeit beginnen. Für so ein ganz losgelöstes Dasein war ich aber zu “jung”. Noch ein wenig Teilzeit wäre doch toll, dachte ich. Also habe ich auch beim Schulamt Weilburg nachgefragt. Weil ich ja im Lahn-Dill-Kreis wohne. Und was soll ich sagen: Ich hatte und habe die Ehre als Lehrer für Fachinformatik an den Gewerblichen Schulen Dillenburg zu arbeiten. Vom ersten Tag der Rente. Hineingeworfen in die Lernfelder 9, 10–12c+d.
Da hätte ich gern auf fertige Unterrichtskonzepte zurückgegriffen. Schon Rahmenlehrplan und Lernfelder zu verstehen, war aufwendig. Noch mehr, meine eigenen Lehr- und Lernmaterialien zu erstellen. Was also lag näher, als nachzufragen, ob es wirklich keine freien Repositories gäbe? Und warum sollte ich — nach erfolgloser Suche — nicht einfach mit einem solchen Projekt anfangen? Just for Fun!
[contextTironeA]
- vgl. https://kultus.hessen.de/schulsystem/lernmittelfreiheit [↩]
- vgl. https://www.gnu.org/philosophy/free-sw.de.html [↩]
- vgl. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Bildung/BeruflicheBildung/rlp/Fachinformatiker_19-12–13_EL.pdf [↩]
- Die Prüfungskataloge werden von der Zentralstelle für Prüfungsaufgaben der Industrie- und Handelskammern herausgegeben. Sie bricht die Vorgaben des Rahmenlehrplans auf einen etwas konkreteren Level herunter. Der uform-Verlag macht die Kataloge kommerziell zugänglich. vgl. https://www.u‑form-shop.de/ [↩]
- vgl. https://www.linux-community.de/ausgaben/linuxuser/2012/12/von-der-freien-software-zur-freien-gesellschaft/ [↩]