Lizenzkonformität Open-Source

FOSS in der Cloud. Oder: Die Sache mit der Milch

Kühlschrankmilch

2012 ging es dar­um, ob Open Source Soft­ware in der Cloud das Prin­zip von ‘Open Source Soft­ware’ unter­lau­fe: Aus­gangs­punkt waren Über­le­gun­gen von Wil­liam Judd zur Fra­ge, ob FOSS in der Cloud es erzwin­ge, den Quell­code einer ver­bes­ser­ten Open-Source-Soft­ware offen­zu­le­gen — oder eben nicht?

Frü­her — so die genann­te Ana­ly­se — habe die For­de­rung, mit dem Kom­pi­lat müs­se auch der Quell­code über­ge­ben oder ver­läss­lich zugäng­lich gemacht wer­den. Heu­te — in Zei­ten der Cloud — sei das nicht mehr so: nun habe der Nut­zer u.U. nur noch Zugriff auf den Out­put, nicht aber auf die Bina­ries selbst.

Hit­zig war die ent­spre­chen­de Dis­kus­si­on — obwohl die Sache wohl doch nicht so dra­ma­tisch ist:

Zum einen gibt es die soge­nann­ten per­mis­si­ven Lizen­zen (BSD, MIT, Apa­che, etc.). Die for­dern an kei­ner Stel­le, dass man den Code wei­ter­ge­ben müs­se (auch wenn man es ger­ne tun dür­fe 😉 ) — egal, wie man die Pro­gram­me ver­wen­det. Ergo unter­läuft man ihre Idee auch nicht, wenn man sie in der Cloud anwen­det, ohne Ver­bes­se­run­gen offen­zu­le­gen.

Dann gibt es die Lizen­zen mit schwa­chem Copy­left (LGPL) und star­kem Copy­left (GPL und AGPL). Sie for­dern, dass wir dem, dem wir ein Com­pi­lat über­las­sen, (auf Anfra­ge) auch den Quell­code geben müs­sen. Heißt: Solan­ge ich zu Hau­se auf mei­nem Rech­ner ein so lizen­zier­tes Pro­gramm ver­bes­se­re und lau­fen las­se, bleibt’s mei­ne Sache. Gebe ich es jedoch an einen drit­ten wei­ter, muss ich die­sem drit­ten auch den Quell­code zugäng­lich machen. Aber eben nur ihm, nicht der gan­zen Welt.

Und jetzt kommt’s: Wor­in unter­schei­det sich denn jetzt die pri­va­te Nut­zung auf einem pri­va­ten Rech­ner von der auf einem gemie­te­ten Rech­ner aus der Cloud? Und was ist der Unter­schied, wenn ich selbst etwas in der Cloud instal­lie­re und lau­fen las­se und wenn ich einen drit­ten damit beauf­tra­ge?

Die­se Fäl­le unter­schei­den sich gar nicht — sagen die einen. Ergo dür­fe GPL und LGPL lizen­zier­te Soft­ware in der Cloud genutzt wer­den, ohne dass man des­we­gen sei­ne Ver­bes­se­run­gen offen­le­gen müs­se. Schließ­lich gäbe man sein Pro­gramm recht­lich ja gar nicht wei­ter. Selbst wenn man es zwecks Instal­la­ti­on dazu rea­li­ter doch an sei­nen Cloud-Admi­nis­tra­tor wei­ter­rei­che. Mit­hin unter­lau­fe man die GPL-Idee auch nicht, wenn man GPL-Soft­ware in der Cloud anwen­det, ohne Ver­bes­se­run­gen offen­zu­le­gen

Die ande­ren — und dazu gehö­re ich — sagen, dass sich die­se Fäl­le eben genau da unter­schei­den: Wenn ich selbst etwas per sftp hoch­la­de und per ssh in der Cloud star­te, gleicht das der Nut­zung auf einem pri­va­ten Rech­ner. Aber wenn ich die­se Soft­ware dem Admi­nis­tra­tor mei­ner Wahl zur Instal­la­ti­on über­gä­be, dann gäbe ich sie ihm ja. Punk­tum. Ergo habe er das Recht, auf Wunsch auch den Quell­code zu bekom­men.

Ärger­li­cher­wei­se ist die Welt nicht so schön (klar), wie wir ande­ren es ger­ne hät­ten:

Zum einen kann ich ja mei­nem Nach­barn ja auch eine Fla­sche Milch in dop­pel­tem Sin­ne ‘über­ge­ben’. Ich kann ihm erlau­ben, sie zu nut­zen, also zu trin­ken oder an sei­ne Frau zwecks gemein­sa­men Genus­ses wei­ter­zu­rei­chen. Oder ich kann mei­nen Nach­ba­rin bit­ten, die Fla­sche [gibt’s so was über­haupt noch?] (gegen Ein­wurf klei­ner Mün­zen) in sei­nen Kühl­schrank zu stel­len. Dann wäre ich doch wohl etwas pikiert, wenn sie mir die Fla­sche halb leer zurück­gä­be. Irgend­wie ist Wei­ter­ga­be nicht gleich Wei­ter­ga­be.

Zum ande­ren hat die GPL Com­mu­ni­ty die­se Lücke doch offen­sicht­lich selbst ent­deckt. Ihret­we­gen exis­tiert die AGPL. Sie legt expli­zit fest, dass man den ver­bes­ser­ten Code selbst dann an alle frei­ge­ben muss, die per Netz mit der AGPL Cloud Soft­ware inter­agie­ren, wenn man ihnen gera­de kein Kom­pi­lat über­las­sen hat.

Was also ist rich­tig? Unter­läuft Open-Source-Soft­ware in der Cloud nun den Gedan­ken von Open Source oder nicht?

Meis­tens nicht. Und bei dem Rest brau­chen wir vom Open-Source-Licen­se-Com­pen­di­um das glück­li­cher­wei­se nicht zu ent­schei­den. Wir wol­len ja nicht die Gren­zen von Open Source aus­tes­ten. Wenn nötig, wäre das der Job von gestan­de­nen Juris­ten. Wir wol­len nur eine siche­re Art der Lizenz-adäqua­ten Nut­zung pro Lizenz und Useca­se beschrei­ben. Und danach wäre es — so mei­ne ich per­sön­lich — schon sinn­voll, auch bei Nut­zung von GPL und LGPL Soft­ware in der Cloud, den Dis­tri­bu­ti­ons­fall anzu­neh­men. Sicher­heits­hal­ber. Bei AGPL Soft­ware müs­sen wir es ja eh tun.

Und mal ganz ehr­lich: Wenn wir eine Open-Source-Soft­ware in der Cloud lau­fen und uns dafür bezah­len las­sen, kön­nen wir unse­re Ver­bes­se­run­gen trotz­dem an die Com­mu­ni­ty zurück­ge­ben. Aus eige­nem Antrieb. Als ein Zei­chen des Respek­tes. Und das selbst dann, wenn wir bei gewief­ter Aus­le­gung der Open-Source-Lizen­zen im letz­ten Sin­ne nicht dazu ver­pflich­tet wären!


Und in welchem Zusammenhang …

… steht das mit einer sys­te­ma­ti­schen Erfül­lung von FOSS-Lizen­zen? Nun, dazu müs­sen wir halt auch poli­ti­sche Kon­no­ta­tio­nen beden­ken, kon­zep­tio­nel­le und kon­tex­tu­el­le Aspek­te ana­ly­sie­ren — ein­zeln oder gemein­sam auf Kon­fe­ren­zen. Wir müs­sen kon­kre­te Fäl­le und all­ge­mei­ne Neben­wir­kun­gen durch­den­ken, für Soft­ware, Bil­der oder Doku­men­te. Wir müs­sen Trends benen­nen und Leit­fä­den erstel­len. Vor­nehm­lich aber müs­sen wir die Auto­ma­ti­sie­rung der Lizenz­er­fül­lung vor­an­trei­ben, unser Lizenz­wis­sen frei zur Ver­fü­gung stel­len, es in klei­ne­re Tools gie­ßen und in grö­ße­re Sys­te­me ein­brin­gen: Denn FOSS lebt von der Frei­heit durch Lizenz­er­fül­lung, im Gro­ßen und im Klei­nen.


Im Übri­gen: Män­ner sind mit­ge­meint.

Ein Kommentar “FOSS in der Cloud. Oder: Die Sache mit der Milch”

  • Frank

    says:

    Wenn Du von unter­lau­fen sprichst wür­de ich zwei­er­lei Din­ge unter­schei­den um die Widerstprüch­lich­keit her­aus­zu­ar­bei­ten mit der man kon­fron­tiert ist.

    Wenn man GPL/Copyleft so ver­steht, dass es dar­um geht User-Rech­te and der Soft­ware zu stär­ken und die­se Sicher­zu­stel­len, dann unter­läuft Cloud Com­pu­ting dies, die meis­ten User bekom­men weder direk­ten Zugriff auf die Soft­ware noch auf die Roh­da­ten die sie sel­ber auf den Ser­ver eines Drit­ten beför­dern.

    Wenn man aller­dings die GPL streng am Text ent­lang liest und so tut also ob die Welt wei­ter nicht exis­tiert (ein Pro­gram­mie­rer meint ger­ne mal, er könn­te einen Lizenz­text ein­fach “aus­füh­ren” und dann kommt immer ein kla­rer Out­put raus), die GPL qua­si als Selbst­zweck geschaf­fen wür­de, dann kann man natür­lich ohne mit der Wim­per zu zucken auch sagen das Cloud Com­pu­ting die GPL gar nicht unter­wan­dern kann, weil Cloud Com­pu­ting in der GPL nicht vor­kommt.

    Unter­hält man sich aller­dings mit Kin­dern über das The­ma, dann wird schnell klar, dass durch­aus ein Fall vor­liegt den man durch­aus pro­ble­ma­ti­sie­ren kann (und wenn man sich ernst­haft mit der Lizen­sie­rung frei­er Soft­ware aus­ein­an­der­setzt mei­ner Mei­nung nach auch tun soll­te).

    Wie es recht­lich zu bewer­ten ist, wenn Du eine GPL lizen­sier­te Soft­ware an dei­nen Admi­nis­tra­tor dis­tri­bu­tierst, dass soll­test Du aller­dings dei­nen Anwalt fra­gen. Ich ver­mu­te mal, das kommt sicher­lich auf eini­ge Details an, zB. in wel­chen Arbeits- und Anstel­lung­ver­hält­nis bei­de and er Distir­bu­ti­on betei­lig­ten Per­so­nen ste­hen. Könn­te ja sein, dass bei­de abhä­nig bei der sel­ben juris­ti­schen Per­son beschäf­tigt sind, es sich somit also recht­lich gar nicht um zwei ver­schie­de­ne rechts­sub­jek­te han­deln könn­te. Nicht ver­za­gen, Anwalt fra­gen.

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