Über 6 Jahre war der Bitkom Open Source Leitfaden 2.0 eine gern gesehene Quelle für die adäquate Nutzung von Open-Source-Software, ein Benchmark. Doch er ist gealtert. Gut, dass der Bitkom und sein Arbeitskreis ‘Open Source’ nun seit Juni 2022 offiziell einen thematisch erweiterten und verfeinerten Bitkom Open Source Leitfaden 3.0 herausgeben — wiederum als Richtschnur, als Benchmark und als Handbuch.
Schon erstaunlich, dass der Bitkom mit diesem Leitfaden zum ersten Mal eine ‘Handreichung’ unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht hat. Die Wahl fiel auf die Creative Commons Lizenz (CC BY-ND 3.0 DE). Offensichtlich rückt die Idee einer ‘Allmende’ und der Gedanke eines frei zugänglichen Services auch beim Bitkom in den Vordergrund. Das verleiht seiner Stimme noch mehr Gewicht. Dass er eine Bearbeitung durch Dritte dabei nicht zulässt (ND = Non Derivation), ist verständlich. Immerhin soll die Qualität und Verlässlichkeit bewahrt bleiben. Aber jede andere Art der Verwendung durch Dritte ist ausdrücklich erlaubt, ja erwünscht, auch die kommerzielle. So wird sich der Bitkom zukünftig gewiss dazu durchringen, auch die Quellen allgemein zugänglich zu machen. Anstatt ’nur’ in einer ‘geschlossenen’ GitHub-Organisation.
Außerdem hat der Bitkom hat seinen Autoren dabei gestattet, sich über und mit GitHub zu organisieren. Jeder konnte mitmachen. Jeder konnte Mitglied der Organisation werden und damit auf das GitHub-Repository mit den (Teil)Ergebnissen zugreifen. So hat der Bitkom — wiederum erstmals und erfolgreich — ein Buch mit den Mitteln der Open-Source-Softwareentwicklung erarbeitet. Die Kapitel des Bitkom-Open-Source-Leitfadens wurden in Markdown geschrieben, als Snippets ins Repository eingecheckt und mit Incidents und Pullrequests zu einem Ganzen geformt. Und das, obwohl mitnichten alle Autoren von Anfang an mit GitHub vertraut waren. Auch das weist über sich hinaus: Git, GitHub oder GitLab können die (firmenübergreifende) Kooperation und Kollaboration deutlich vereinfachen.
Und das dritte Erstaunliche ist die Wandlung des Inhalts. War der Leitfaden 2.0 noch auf die nutzungsrechtlichen Aspekte fokussiert, ist der neue Bitkom Open Source Leitfaden 3.0 deutlich breiter und ausgewogener aufgestellt: Er behandelt den Nutzen von FOSS ebenso, wie deren Programmierung. Er beleuchtet gleichermaßen die Einbindung in Geschäftsmodelle und Firmenstrategien, die Open-Source-Compliance und die FOSS-Geschichte — auf jeweils nahezu gleich vielen Seiten. Hier ist das FOSS-Umfeld nicht mehr nur Anhängsel zur Compliance, sondern es werden die Bedingungen zur erfolgreichen Nutzung von Open-Source-Software ausgeglichen in den Blick genommen, ohne dass der Abschnitt zur Lizenzkonformität verliert. Und jeder Abschnitt hat mit seinen 10–20 Seiten einen Umfang, der es erlaubt, sich auch auf die Schnelle zu orientieren.
Damit ist der Bitkom-Opensource-Leitaden‑3.0 zu einer Informationsquelle geworden, die man auch firmenintern gut einfach mal so als erste Orientierung weitergeben kann.
Und in welchem Zusammenhang …
… steht das mit einer systematischen Erfüllung von FOSS-Lizenzen? Nun, dazu müssen wir halt auch politische Konnotationen bedenken, konzeptionelle und kontextuelle Aspekte analysieren — einzeln oder gemeinsam auf Konferenzen. Wir müssen konkrete Fälle und allgemeine Nebenwirkungen durchdenken, für Software, Bilder oder Dokumente. Wir müssen Trends benennen und Leitfäden erstellen. Vornehmlich aber müssen wir die Automatisierung der Lizenzerfüllung vorantreiben, unser Lizenzwissen frei zur Verfügung stellen, es in kleinere Tools gießen und in größere Systeme einbringen: Denn FOSS lebt von der Freiheit durch Lizenzerfüllung, im Großen und im Kleinen.
Im Übrigen: Männer sind mitgemeint.